Gibt es die sogenannte Arthrose Luege, wie so manche Therapeuten behaupten?
Ja, es gibt Arthrose und es gibt Verschleiss und viele Leute denken, Arthrose kommt als unausweichliches Uebel des Aelterwerdens auf sie zu, wenn sie die 60 überschritten haben. Es herrscht viel Unklarheit und Unwissenheit darueber. Die Medizin ist sich einig darueber, dass es ein Verschleiss der Knorpelschicht ist, und dass dieser Verschleiss die Schmerzen bedingt. Aber es gibt viele Ausnahmen, z.B. Menschen, die mit 75 noch Marathon laufen und keine Arthrose und keine Schmerzen haben. Oder Menschen die gekruemmt und bucklig sind und keine Schmerzen haben. Es gibt aber auch Arthrose ohne Schmerzen, genauso wie Schmerzen ohne Arthrosen. Tatsache ist, dass immer jüngere Menschen Gelenkserneuerungen benoetigen, wobei manche Experten behaupten, dass 4 von 5 Gelenkserneuerungen nicht notwendig waeren.
Besonders ueber die eventuellen genetischen Ursachen wird viel diskutiert. Untersuchungen haben aber ergeben, dass nur 3- 5 % der Arthrosen genetisch bedingt sind. Ausserdem weiss man heute, dass man Gene aktivieren oder deaktivieren kann. Epigenetik ist die uebergeordnete Wissenschaft dazu, die Umwelteinfluesse und Lebenshaltungen bei ihren Recherchen miteinbezieht.
Das grosse Problem aus unserer Sicht ist, dass man Arthrose allgemein als Verschleisserscheinung interpretiert, was einschliesst, dass man wie bei einem Auto die Teile einfach ersetzen kann, wenn sie verbraucht sind. Aber der Mensch ist kein Auto, er ist ein lebendiges Wesen mit einer staendigen Zellerneuerung und das bezieht sich auf den gesamten Koerper, also auch auf die Gelenke und die Knorpelschichten.
Was steht zur Verfuegung? Schmerzmittel mit all ihren negativen Folgen, Opiatepflaster, Schmerzmittelpumpen, Nervendurchtrennungen, Operationen. Aerzte und Therapeuten sind oft frustriert, wenn sie darueber hinaus keine besseren Alternativen anbieten koennen.
Insgesamt gibt es viele Ungereimtheiten und keine wirklich ermutigende Antwort. Alle glauben, das was verschlissen ist, tut weh. Aber unsere Erfahrung zeigt, dass dem nicht so ist.
UNTERSCHIEDLICHE BETRACHTUNGSWEISEN
Unserer Meinung nach liegt die Hauptursache der Schmerzen nicht an einer Abnutzung des Gelenkes, sondern in der Ueberspannung der umgebenden Muskulatur. Der Knorpel selbst hat keine Nervenzellen und kann somit gar nicht weh tun.
WIE ENTSTEHT ARTHROSE ?
Wir haben ca 100 Gelenke im Körper, die wir im Normalfall vollständig bewegen können. Im Durchschnitt benutzen wir die Gelenke allerdings nur zu 5 – 20 % . Bei der Schulter sind es sogar noch weniger. Aber fuer 100 % Bewegung sind sie geschaffen. Fazit: Wir gebrauchen unsere Gelenke nicht in ihrem vollen Umfang. Sie „rosten“ sozusagen ein.
Beispiel der Muskeln am Arm: Biceps und Triceps arbeiten zusammen, wenn der eine sich zusammenzieht, dehnt sich der andere aus. Wenn aber einer von ihnen permanent angespannt ist, verkuerzt er sich und zieht das Gelenk in eine bestimmte Richtung. Der gegenseitige Muskel muss hart arbeiten, um das Gelenkspiel aufrecht zu erhalten. Bestes Beispiel Sitzen: Man ist vornuebergebeugt, die vorderen Muskeln (Bauch, Brust, Hals, Huefte) ziehen sich zusammen und mit der Zeit verkuerzen sie sich, die Rueckenmuskulatur dagegen muss hart arbeiten um diesen vorderen Zug auszugleichen. Folge: Ueberanstrengung und Rueckenschmerzen.
MANGELNDE UND FALSCHE BEWEGUNG IST DER HAUPTGRUND FUER ARTHROSE
Bei einem einseitig ueberhoehten muskulaeren Zug am Knochen, wird der Druck auf die Gelenkflaechen uebermaessig stark. Dadurch kommt es mit der Zeit zu einem Abrieb am Knorpel und in der weiteren Folge zu einer Schädigung. Dieser Prozess dauert aber in der Regel viele Jahre, d.h. bis es zu einer Schaedigung kommt, kann man viel dagegen tun.
FASZIEN
Faszien spielen eine ebenso wichtige Rolle. Sie bilden ein Netzwerk von elastischen Fasern, die alles im Koerper miteinander verbinden. Es ergibt ein 3 dimensionales Spinnennetz, das sich staendig erneuert durch die Fibroblasten, die die Faeden stricken wie Baumeister. Bei mangelnder Bewegung wird dieses elastische Netz starr und bruechig, verliert seine Funktion—> Steifigkeit und Schmerz sind die Folge.
Schauen wir uns nun die Situation im Gelenk an:
Der Knorpel ist wie ein Schwamm und wird ernaehrt von der Gelenkschmiere, die von einer Membran in der Gelenkkapsel gebildet wird. Der Knorpel wird bei Druck ausgepresst und saugt bei Entlastung wieder Naehrflussigkeit an. Das ist ein normaler, physiologischer Vorgang. Das heisst, je vielfaeltiger wir uns bewegen, desto besser ist die Versorgung und Ernaehrung des Knorpels. Einseitigkeit in der Bewegung fuehrt zur mangelnden Ernaehrung des Knorpels. Das Gleichgewicht von Druck und Entlastung, so wie es z.B. beim Gehen auf das Kniegelenk einwirkt, ist Voraussetzung fuer einen gesunden Stoffwechsel im Gelenk. Bei Ungleichgewicht werden die Gleitschichten gegeneinander verschoben und es kommt zum Abrieb und Verschleiss.
SENSOMOTORISCHE AMNESIE
Das Gehirn steuert unsere Bewegungen und ist die Schaltstelle fuer Schmerzen. Schmerz entsteht im Gehirn. Bei laenger anhaltenden chronischen Anspannungen der Muskulatur „gewoehnt“ sich das Gehirn an diesen Zustand und empfindet ihn als normal. Das heisst, die Anspannung wird nicht mehr wahrgenommen und vor allem, kann willentlich nicht mehr aufgeloest werden. Man kann das an sich selbst wahrnehmen. Zum Beispiel wenn man einen Arm hochhebt und ihn dann sehr langsam absenkt. Im Falle einer sensomotorischen Amnesie kommt es bei dem Abwaertssenken zu ruckartigen Bewegungen. Ein Zeichen, dass das Gehirn „verlernt“ hat, diesen Muskel in seinen feinen Bewegungen zu kontrollieren und demnach auch zu entspannen.
REZEPTOREN DES NERVENSYSTEMS
Sie stellen die Verbindung zum Gehirn dar. Sie sind ueberall in unserem Koerper lokalisiert. In unserem Fall interessieren hauptsaechlich die Rezeptoren an Knochen, Muskeln und im Bindegewebe. Sie senden staendig Messdaten ans Gehirn ueber Spannung, Druckverhaeltnisse, Geschwindigkeit, chemische Zusammensetzung und Sauerstoffgehalt des Gewebes. Wenn das System bedroht ist , d.h. wenn zu viel Ungleichgewicht da ist, wenn zu viel Spannung da ist, wenn Belastung und Druck auf das Gelenk zu gross ist, wenn das Gleichgewicht bedroht ist, schaltet der Koerper einen warnenden Schmerz.
ALARMSCHMERZ
Die meisten unserer arthritischen Schmerzen sind Alarmschmerzen, sie haben eine Schutzfunktion, es sind funktionelle Schmerzen, geschaltet und erzeugt im Gehirn („no brain, no pain“), und zwar unabhaengig von einer etwaigen Schaedigung des Knorpels. Schmerz soll den Knorpel vor Verschleiss schuetzen, d.h. der Schmerz fordert uns sozusagen auf, die erhoehte Spannung im Muskel zu regulieren und damit den uebermaessigen Druck auf das Gelenk zu reduzieren. Das heisst, der Verschleiss ist eine Folge von zu hoher Spannung und von uebermaessigem Druck auf das Gelenk.
Dieses Zusammenspiel zeigt uns die wunderbare Mechanik unseres Koerpers. Bei Stoerung allerdings beginnt eine
NEGATIVSPIRALE
In unserer heutigen Sitzgesellschaft, in der sich die Menschen zu wenig bewegen, sind 8 von 10 Menschen von dem Ungleichgewicht in ihrem muskulaeren System betroffen. Der Zahn der Zeit nagt und ab 60 beginnen dann bei vielen die sog. Alterserscheinungen: Steifheit, Schmerzen, Unbeweglichkeit, Angst vor dem Fallen usw. Dies sind aber keine Alterserscheinungen an sich, sondern haben ihren Ursprung in mangelnder und unausgeglichener Bewegung („take it easy when you get older is not a good idea“ – es ist keine gute Idee, es sich im Alter bequem zu machen. ) Diese Alterserscheinungen sind also weder zwangslaeufig ein unvermeidbares Geschehen noch beruhen sie auf einem genetischen Faktor.
Wie aus dem Gesagten klar hervorgeht: Die Gabe von Schmerzmitteln kann keine dauerhafte Loesung sein, da sie nicht an der Ursache des Schmerzes ansetzen. Der Koerper laesst sich nicht betruegen. Die Arthrose, also der Prozess des Gelenkverschleisses nimmt seinen Gang bis eines Tages die kuenstliche Gelenkserneuerung unvermeidbar wird. Sie kann in vielen Faellen wahre Wunder vollbringen, benoetigt aber auch eine Regulierung des muskulaeren Gleichgewichts, damit es nicht zu weiteren Komplikationen kommt.
ES GIBT EINEN WEG DARAUS
Man muss ihn sich allerdings erarbeiten und die Bequemlichkeit etwas besiegen. Mit spezifischen leichten Uebungen ist es möglich, die Ueberspannungen zu lösen. Wenn sich die muskulaeren Verhaeltnisse, also die Ueberspannungen regulieren, ist der arthrotische Prozess innerhalb von 1- 3 Wochen gestoppt, danach baut sich der Knorpel langsam wieder auf. Schmerzreduzierung wird schon viel frueher erreicht, da die Schaltung von Alarmschmerzen nicht mehr notwendig ist. Generell ist ein aktiver und gesunder Lebensstil die beste Investition, um den Koerper gesund und beweglich zu erhalten. ES IST NIE ZU SPAET!!!
WELCHE ALTERNATIVEN ANSAETZE ZUR BEHANDLUNG VON ARHTROSE GIBT ES?
Es gibt eine Vielzahl von therapeutischen Moeglichkeiten. Grundsaetzlich wichtig ist die Einbeziehung des Betroffenen in den Heilungsprozess. Der Patient muss in der taeglichen Praxis der Uebungen angeleitet werden, man muss ihm zeigen, welche Selbsthilfemassnahmen moeglich sind und vor allem, wie seine Koerperbewusstheit trainiert werden kann. Entspannungsuebungen und Vertrauen aufbauen in die Heilungskraefte des Koerpers ergaenzen die Behandlungen. Unterstuetzend koennen manchmal homoeopathische oder pflanzliche Heilmittel eingesetzt werden. Bewaehrt hat sich die Kombination von verschiedenen therapeutischen Methoden (siehe Webseite unter Schmerztherapie). Nachfolgend eine kurze Uebersicht:
OSTEOPRESSUR nach Liebscher und Bracht (LnB): Methode die ueber Druckausuebung an spezifischen Rezeptoren wirkt und dort wiederum den Steuerungsmechanismus im Gehirn beeinflusst. Die Ueberspannung in den Muskeln, die das Gelenk zusammenziehen, wird dadurch reduziert und aufgehoben. Je naeher wir an die Rezeptoren am Knochen gehen, desto besser loeschen wir die Programme.
HANNA SOMATICS – Sensomotorische Körpertherapie nach Thomas Hanna
Eine sanfte Methode, bei der das Gehirn ueber spezifische Bewegung wieder lernt, die Muskelspannung zu loesen. Die dazu verwendete Methode nennt sich Pandikulieren. Dabei wird der gespannte, verkuerzte Muskel willentlich noch mehr angespannt und dann schrittweise mithilfe des Therapeuten sanft in die Verlaengerung und Entspannung gefuehrt.
KLASSISCHE UND THERAPEUTISCHE MASSAGE
Ausgleichende Massagegriffe zwischen den einzelnen Anwendungen
BINDEGEWEBSBEHANDLUNG – FASZIENBEHANDLUNG
Zur Loesung von Verhaertungen und Verklebungen im Gewebe
AKTIVE RELEASE TECHNIQUE UND TRIGGER PUNKT THERAPIE
Eine Schmerzpunktbehandlung bei der der Patient unter Anleitung den Muskel selbst aktiv bewegt.
BOWEN THERAPIE
Loesung der Verspannungen durch ein leichtes „In-Schwingung-Setzen“ des Muskels.
All diese Therapien beziehen sich auf eine sanfte Loesung von muskulaerem Ungleichgewicht zusammen mit einer Schulung des Koerperbewusstseins.
SELBSTHILFEMASSNAHMEN UND EIGENBEHANDLUNG
Bei den meisten Beschwerden ist es moeglich, dem Patienten zu zeigen, was er zwischen den Terminen selbst zur Schmerzerleichterung tun kann. Das verkuerzt den Heilungsprozess und spart Geld.
BEWEGUNGSUEBUNGEN ZUM ERHALT DES BEHANDLUNGSERGEBNISSES
Der Erfolg all dieser Methoden beruht auf der Mitarbeit des Patienten. Es sind sanfte, leichte Uebungen, die fast einen entspannenden Charakter haben. Sie zielen hautsaechlich darauf ab, dass das Koerperbewusstsein geschult wird und dass die in der Behandlung erreichte Schmerzreduzierung erhalten bleibt. Therapien bei denen der Patient nicht angehalten wird, Bewegungsuebungen zu machen, sind mit Vorsicht zu betrachten.
Sensomotorische Uebungen nach dem Konzept von Thomas Hanna (Cat Stretch!) die Dehnuebungen von Liebscher und Bracht, Yoga, Feldenkrais, Qi gong etc. Es gibt viele gute Moeglichkeiten dazu. Fittnessprogramme zur Staerkung von Muskeln sind allerdings weniger geeignet und manchmal sogar schaedlich. Denn ein verspannter Muskel wird durch Staerkung noch fester und haerter.
Sich an ein Uebungsprogramm zu halten ist nicht einfach, besonders nicht fuer stressgeplagte oder aeltere Menschen, die so etwas nicht gewohnt sind.
Es ist wunderbar zu verfolgen, wie die Leute foermlich aufbluehen, wie sie sich leichter bewegen und wie sich ihre Lebensqualitaet verbessert bei nur 10 – 15 Minuten pro Tag Uebungsprogramm!!! Und der Erfolg setzt schon nach kurzer Zeit ein und fuehrt zu weiterer Motivation „dranzubleiben“.
Zur Erleichterung und Vereinfachung gibt es Anleitungen in der Praxis, DVD’s, Rollen, Schlaufen. Blaetter und Internet Uebungsdemonstrationen.
Schonung baut ab, Forderung und Bewegung baut auf. Es funktioniert immer, weil der Mensch biologisch so gebaut ist. !!!
Anmerkung: Bei aelteren Menschen kann 1 Woche Bettruhe nach Sturz schon fatal sein, das Stuetzgewebe baut sofort ab, noch dazu, wenn vorher schon wenig Bewegung da war.
Beispiel einer Behandlungsablaufs in der Praxis:
- Anamnese, was wie wo wann? / Haltungsanalyse mit Erklaerung, Foto (ca.10 Min.)
- Erklaerung des Ablaufes der Behandlung entsprechend des Befundes (10 Min.).
- Therapieteil ( 50 -60 Min): Anwendung der verschiedenen Methoden, individuell je nach Situation des Patienten. Oft schliesst sich daran eine kurze entspannende Massage.
- Anleitung zu den verschiedenen Uebungen
Eine Therapiesitzung dauert in der Regel zwischen 60 und 90 Min.
Nach der ersten Behandlung kann man in der Regel feststellen, wie der Koerper darauf reagiert und ob die muskulaeren Ueberspannungen die Ursache der Schmerzen sind.
ERNAEHRUNG UND LEBENSSTIL OPTIMIEREN
Arthose und Schmerztherapie folgt den Regeln einer Ganzkoerpertherapie. Ernaehrung und Lebensstil spielen eine wichtige Rolle im Heilungsprozess. Wenn das Gewebe durch ungesunde Ernaehrung verschlackt ist, stauen sich die Abfaellprodukte des Stoffwechsels um die Gelenke herum an, verkleben Bindegewebe und Faszien. Das Gewebe wird fest, reissanfaellig und verklebt.
KANN KNOPREL AUFGEBAUT WERDEN?
Diese Frage wird sehr kontrovers beantwortet. Da der Knorpel keine Gefaesse und keine Nerven enthaelt ist naturgemaess seine Regeneration langsam. Eine Studie der Universitaet Utrecht mit dem Biologen van Mastbergen hat allerdings gezeigt, dass sich der Knorpel wieder regenerieren kann, wenn der Gelenkspalt entlastet wird. In der Praxis gibt es viele Beweise dazu.
Die meisten Aerzte tun sich allerdings schwer mit der Akzeptanz von anderen Loesungsansaetzen. Sie vertrauen der Beurteilung von Roentgen und anderen bildgebenden Verfahren, und folgen zum grossen Teil noch der gaengigen Lehrmeinung, dass es fuer Arthrose keine alternative Therapie gibt.
Ein Paradigmenwechsel ist notwendig.
Leider ist altes Denken so weit verbreitet, dass es schwer ist, dagegen etwas Neues zu setzen. Unsere Erfahrung mit vielen Patienten zeigt aber, dass es moeglich ist, die arthrotischen Prozesse zu stoppen, Schmerzbefreiung oder zumindest Schmerzreduzierung zu erreichen und Gelenkserneuerungen zu vermeiden bzw. hinauszuzoegern. Bei allem aber geht es um die Erhaltung der Lebensqualitaet bis ins hohe Alter hinein.